Der begeisterte Ruderer Kai Ramming (RC Favorite Hammonia Hamburg) hat in seinem Ruderleben schon unzählige Rudertouren gemacht. Jetzt ist in seiner Sammlung eine ganz besondere Tour hinzugekommen. Mit seinem Coastal Einer (Swift Racing C103) ist er ohne externe Hilfe in 16 Tagen und nach insgesamt 632 km komplett um Schleswig-Holstein gerudert. Eine bewundernswerte Leistung! Und das Schöne für all diejenigen, die gerne ‚mit dabei‘ gewesen wären – Kai hat uns seine Rudererlebnisse und seine Photodoku zur Verfügung gestellt. Man ist schon fast mit dabei, wenn auf der Treene im dichten Gestrüpp das verzweifelte Befreiungsgemetzel mit den Skulls anfängt, in Eckernförde bei Sturmwarnung ein einzelnes Coastal Boot gesichtet wird und wie sich Kai mit seiner ganz eigenen Art beim Schleusen im Gewusel der vielen Segler durchsetzt. Sein Bericht ist ein wahrer Genuss – und er zeigt, daß diese Tour nur für ganz hart Gesottene zu empfehlen ist.
Bericht: Kai Ramming / Tour Schleswig-Holstein im Mai 2022 von und nach Rissen
Einmal links und sonst nur rechts abbiegen
Ziel 1: Sicher Ankommen. Navigation war einfach – siehe oben.
Ziel 2: Alles ohne Hilfe.
Beide Ziele erfüllt, wobei ich als einzige Ausnahme einem freundlichen Herrn in Lauenburg nicht verwehren wollte, mich nach meiner Pause vom Steg abzuschieben. Logischerweise ging es erst elbabwärts, also im Uhrzeigersinn, mit Station in Burg/Dithmarschen, Eider/Breiholz, Eider/Süderstapel, Treene/Schwabstedt, umrollern via B201/Silberstedt, Schleswig, Damp, Eckernförde, Heiligenhafen, Grömitz, Lübeck, Mölln, Stöver Sand/Geesthacht.
Hier die Highlights:
Der erste Tag – Herausforderung
Abfahrt Rissen 0625h. Ankunft Schleuse Brunsbüttel 1105h schwülwarm erst Schiebewind die letzten 10 km Seite/ Gegenwind. Ab Stör Mündung Innen Kurve gefahren auf der Brunsbüttel Seite wäre die Seitenwelle blöd gewesen. Tacho bei maximaler Schiebetide bis runter auf 1.46 auf 500m.
Nach 50 Minuten Wartezeit sagte mir ein Segler, der schon 4 Stunden wartete, daß die Schleuse aufgeht . Das war dann die Große weil die alten Schleusen umgebaut werden. Ohne die Ansage vom Segler läge ich immer noch auf Warteposition. Schleusung weit über eine Stunde lang mit einem finnischen Bulk Carrier und zwanzig Seglern. Einige davon unfreundlich was ich denn dort suchte aber ein Schweizer Boot mit Foto Shooting. Die 15 km bis Burg bei Schwüle und in der Abgas Dunstglocke zogen sich. Circa 1500h vorm Burger Fährhaus angelegt und Boot kurz vorm Schwall eines Tankers aus dem Wasser geholt.
Total 75 km. Puuh. 11 Stunden geschlafen.
Tag 2 – Unaufgeregt
Boot in Burg 50 m vorm Hotel reibungslos ins Wasser gebracht, besser gesagt aufs Wasser. Konnte einige Segler überholen. Die Vibrationen der entgegen kommenden Schiffe konnte ich im Einer spüren, dann rappelte das Werkzeug bei mir im Weinkeller. Bin kilometerweit auf der Wellenschleppe eines vorausfahrenden Seglern gesurft. Dann einmal links abgebogen. Gieselau Kanal Schleusenmeister gab mir für meine 3 Euro Kanalgebühr eine wunderschöne Quittung auf D-Mark lautend. Dann nur noch 10 km die Eider Richtung Rendsburg gerudert. Boot in Breiholz einfach auf die hoteleigene Rasenböschung gezogen. Abends setzte starker Regen ein und gegen Mitternacht ein irrer Gewittersturm. Boot war gut festgebunden. 37,5 km.
Tag 3 – Windstärke 7, oft von vorn
Eider wieder zurück zur Schleuse Lexfähre und schnell geschleust. Erst einige heftige Regenschauer, dann trockener aber immer häufiger Passagen mit heftigem Gegenwind. Manchmal boten die Baumreihen Schutz. Boot nach 44 km in Süderstapel am Campingplatz über Nacht liegengelassen. Übernachtung bei Tams im Storchendorf Bergenhusen.
Tag 4 – Mit Pausen – und davon eine ganze Menge
Wind wehte kaum noch. Ab Süderstapel glatt nach 17 km in die Schleuse Nordfeld eingelaufen und 1410h weit vorm Plan wieder raus. Tide Eider hatte noch Ebbstrom. Die7 km nach Friedrichstadt treiben lassen. Ankunft vor Schleuse Friedrichstadt 1520h. Warten auf Schleusen Zeit 100 Minuten. Aus Schleuse in die Treene 1720h und an Schwabstedt 1810h. Boot bei WSV für 15 Euro gelagert. Bis auf pöbelnde Angler ein angenehmer Tag. Wieder von Lennart Tam abgeholt worden, denn ich bin ja nur im großen Kreis um Bergenhusen herumgerudert. 32.5 km.
Tag 5 – Einige Male fast gescheitert
Ab Schwabstedt 1030h. An Treia ca. 1530h. 27 km.
An Silberstedt nach 4 km rollern in 40 Minuten 1700h. Vor 14 Monaten bin ich die Strecke Hollenstedt – Treia und zurück vor der Belaubung und bei hohem Wasserstand ohne große Probleme gerudert. Es ist aber ein Kanugewässer! Unglaublich schwierig waren jetzt im Mai 2022 die letzten 5 km Treene wegen Niedrigwasser, der deutlichen Strömung gegenan, aber hauptsächlich weil fast mit Gebüsch und Laub zugewachsen, sodaß teilweise nur um die 1,5 m in der Breite zur Durchfahrt blieb. Wenn man dann erstmal fest hing, setzte ein verzweifeltes Befreiungsgemetzel mit den Skulls ein. Die Strömung drückte einen immer wieder rein in die Büsche. Mit Glück und den unglaublichsten Manövern habe ich mich immer wieder befreit. Und dann kam der niedrig hängende Ast, der mir auf Rücken und Kopf geknallt ist. Das Boot übersäht mit abgebrochenen Zweigen. Eine Stunde hat mich das Umtragen am Wehr gekostet. Vor einem Jahr bin ich da noch hoch gerudert aber jetzt war da so ein Schwall, daß ich mich nicht getraut habe. Also das Boot kompliziert die zwei Meter hohe Böschung hoch gewuchtet und auf der anderen Seite wieder ins Wasser. Vorher natürlich das Boot komplett leicht gemacht. Das DRV Handbuch sagt, mit Zweiern befahrbar. No Way! Das war das letzte Mal Treene oberhalb Hollenstedt für mich. In Treia Boot ohne Ausleger auf das Wägelchen, alles austariert und festgezurrt und die fast 5 km rollern an der B201 entlang bis zum Schimmelreiter in Silberstedt gingen gut und liessen für die 17 km nach Schleswig am nächsten Tag hoffen.
Tag 6 – Gesäß geschont
Ab Silberstedt 9.45h. An Schleswig Wiking Turm 1300h Einsetzstelle. An Slesvig Roklub 1430h.
Distanz gerollert 16,7 km über Wirtschaftswege. Die Rollertechnik ist einfach: Ein breiter Gurt zum Ziehen diagonal über die Schulter abwechselnd links oder rechts gelegt, mit der Hand runtergehalten und mit der freien Hand den Bug angehoben um das Boot vom Wippen abzuhalten. Kalkuliert habe ich über Land mit der doppelten Zeit.
In Schleswig zeigt ein Herr auf das Boot und sagt ,ah ein Coastal Einer‘. Er war ein Domschule Ruderer. Der sagte zu meiner geplanten Einsetzstelle die sei etwas steil. Ich , Ach was‘ und bin prompt außer Sichtweite im Wasser auf den glatten Steinen ausgerutscht. Weil ich viel schneller gerollert war als geplant, hatte ich noch Zeit, mit dem untergeschnallten Rollwagen mit 0,2 Knoten bis zum Slesvig Roklub zu rudern. Coastal ruderisch kompletter Unsinn. Hatte das einzige Mal auf dieser Reise nach Ankunft noch Zeit, die Stadt zu besichtigen. 16,7 km rollern, 0,8 km rudern.
Tag 7 – Starkwind im Anmarsch…wie weit komme ich noch?
Ab Schleswig 0908h. Leuchtturm Schleimuende 15.25h. An Damp 1700h.
Ca 53 km. Grosse Breite Schleswig schon ziemlich rau. Dann mit steifer Brise die Schlei wild hochgesurft. Gerne auch mal mit Luftkasten komplett unter Wasser bei Null Druck am Blatt. Am nördlichsten Punkt der Reise in Schleimuende dreht man 270 Grad rechtsrum und dann geht’s gegenan noch 10 oder so km nach Damp. Geackere und ganz dicht unter Land. Doch noch gut in der 2000 Betten Burg Damp angekommen. Voll belegt und dazu noch 1000 Segler und die Vatertag Vorglüher. Zimmer im 10. Stock super und das Essen auch, aber der ganze Rest….. Boot lag mittenmang am Strand. Ist nichts weggekommen. Schlecht geschlafen wegen Wetter Vorhersage und Sorge ums Vorankommen. Ist das Nichtschlafen in einem schönen Hotel Zimmer gut oder schlecht?
Tag 8 – Einmal noch dem Wind getrotzt
Ab Damp genau 09.00h. An Eckernförde 12.05h. Wind West 4-5 in Böen 7.
Ca 20 km. Jede Landzunge als Windschutz ausgenutzt. So dicht am Ufer wie möglich. Ordentliche Welle. Als die Marine-Basis im Blickfeld auftauchte dachte ich: Läuft ja – ist gleich geschafft. Weit gefehlt. Man muss die Basis im Bogen umfahren und kommt dabei voll in den Wind. Eine das Boot überrollende Welle ließ das wasserdicht verpackte Mobiltelefon über Bord hängen. No way das wieder einzuholen da ich eher an mich dachte. Ich habe für die letzten zwei Kilometer über 1 Stunde gebraucht, aber genau gegenan kann ein Coastal Einer sehr hohe Wellen gut ab. Keine Diskussion über den dann folgenden Beschluß: Ruder halt. Wetterbesserung abwarten. Zum Glück kam Maike, die Ruderwartin vom Eckernförde RC. ‚Was, Du bist heute im Einer aus Damp gekommen? Du bist verrückt!‘. Was wegen der Windabdeckung durch das Ufer nicht ganz stimmte. Die gute Frau gab mir ohne zu zögern den Bootshausschlüssel. Übrigens: Mir waren zwei Seekayaks und eine Frau in einer Art Kinder-Planschbecken mit aufgeschnalltem Rucksack freundlich grüßend entgegen gekommen. Aber die hatten Schiebewind. Und: Das Mobiltelefon funktioniert noch.
Tag 9 und 10 bei Starkwind gestrandet in Eckernförde
Vielen Dank an den Eckernförder RC, daß ich bei Euch übernachten durfte! Hella und der Hund haben mich kurz besucht.
Tag 11 – Darf es noch etwas mehr sein?
Eckernförde 0558h bis Heiligenhafen 1715h. Wind zunächst westlich 2-3. 88 km.
Das mußte an diesem Sonntag sein, weil am Montag das Schießen auf den Übungsplätzen in Todendorf und Putlos weiterging. Im Kopf hatte ich die Etappe in drei Teile eingeteilt. Nur so war das zu ertragen. Für die ganzen 10 Stunden rudern kam Restwelle von der Seite.
Kiel Außenförde war wie immer kabbelig. Mußte noch die Norwegen Fähre durchlassen. Da kommt dann aber auch ein Hochhaus angebrackert. Erste Pause in Heidkate. Die Zweite hinter dem Yachthafen Lippe. Danach die Innenkurve durchs Schießgebiet Putlos gefahren. Dadurch habe ich Anfang mit Ende Schießgebiet verwechselt, d.h. auf einmal waren es noch weitere 9 km weiter als gedacht. Die aber auch mit wieder stärker werdendem Gegenwind aus Norden. Dann vor Heiligenhafen nach Steuerbord abgebogen und nun war starker Ostwind wieder gegenan. Puuh, waren die letzten 30 km mühsam. Genau unter der Seebrücke angelandet. Boot total leicht gemacht und dann durch den tiefen Sand. Später um 1000 Ecken zum Hotelgaragenplatz gerollert da waren 90 Minuten vergangenen wegen Gepäck umtragen und weiten Weg gerollert. Nein, mehr durfte es an diesem Tag überhaupt nicht sein! Dafür wurde der verrückte Ruderer mit Freigetränk und Schokolade im Hotel begrüßt.
Tag 12 – Eigentlich nur bis zur Brücke
Heiligenhafen bis Grömitz 46 km. Riesenüberraschung am Morgen: Reichlich Welle aus NW laut Windfinder in dem Moment 0.7 Meter. Am Binnensee hinterm Hotel abgelegt. Für 6-7 km bis zur Fehmarn Sund Brücke habe ich weit über 1 Stunde gebraucht. Mit spezieller Seitenwelle Abreite-Technik alles im Griff. Durchfahrt Brücke 1230h. Bald hinter der Brücke lag ein Coastal 2x von Eurodiffusions am Strand. Wem der wohl gehört ? Seehund Verfolgungsjagd. Immer wenn ich zurück guckte tauchten diese neugierigen Viecher wieder ab. 200 m vor Dahme deutlicher Frittenfett und Zigaretten Rauch Gestank, stark abweichend von der gewohnten frischen Ostseeluft.
Tag 13 – Ostsee Ade
Ab Grömitz Surfschule 0952h, Leuchtturm Travemünde passiert 1225h, an Lübecker RG 1650h.
46 km. Bei absoluter Windstille und Leichtwind Vorhersage schnell rüber nach Travemünde. Zeuge einer Seebestattung geworden. Aber nicht die eigene.
Tag 14 – Kanaaal
Ab LRG 0850h wegen Gewitter angesagt für 1500h. Erstes Gewitter gegen 1000h vor Schleuse Buessau.
Motorboot Konvoy. Zwischen den Schleusen mit 11km/h vor den Motorbooten her. An Hotel in Mölln 1450h. Vom Boot bis zu meinem Hotelzimmer in Mölln waren es gute 4 Meter. 37km.
Tag 15 – Die Elbe mit schlechter Laune
Ab Mölln 0830h. Kurze Wege weil Packsäcke nur aus Hotelzimmer Richtung Boot geworfen.
An Lauenburger RG 1340h, ab LRG 1430h, in Schleuse Geesthacht 1640h, an Stöver Strand Camping 1730h. 56 km.
Im Kanal immer Mal Gegenwind. Ab Schleuse Witzeeze knapp 10 km mit SF 28 geballert um Vorsprung im Rest Motorboot Konvoi zu halten. Andauernd Schilfhalme in der Finne. Starker Westnordwest Wind. Die Elbe war nochmal böse. Hab dann doch noch die Schwimmweste angezogen aber Welle von vorne können die Coastal Boote ja ganz locker. Eine Buhne hatte ich übersehen bin aber fünf Meter vorher zum Stehen gekommen. Dann in Geesthacht gut durchgeschleust. War allein in der Riesen Schleuse. Und der Camping Platz und die Facilities sind viel besser als erwartet.
Tag 16 – Doch noch Bruch am letzten Tag
Ab Camping Stöver Strand 0902h. Kurz darauf mit der Finne auf gemauertem Stack aufgesessen. Nur mit Füßen im Wasser und durch wippeln Finne abgebrochen und wieder frei gekommen. Boot fuhr bei wenig Wind immer noch einigermassen geradeaus. Kormoran schluckt großen Aal in der Süderelbe komplett runter. Robbe bei der Köhlbrandbrücke gesichtet. An Rissen ECRC 1330h. 48km.
Ende der Reise. 632 Gesamtkilometer, davon 611 auf dem Wasser. Fast genau die Distanz tschechische Grenze Elbe bis zur Alster, die man bekanntlich in 7 Tagen schaffen kann.